Ziel der Prävention im Arbeitsschutz ist, Unfälle zu vermeiden. Dennoch ereigneten sich im Jahr 2023 knapp 784.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle. Meldepflicht bedeutet: Unternehmer müssen Unfälle beim zuständigen gesetzlichen Unfallversicherungsträger anzeigen, wenn Beschäftigte mehr als 3 Tage arbeitsunfähig sind oder wenn Versicherte getötet werden. Die Verordnung über die Anzeige von Versicherungsfällen in der gesetzlichen Unfallversicherung (UVAV) regelt die Anzeige von meldepflichtigen Unfällen und Berufskrankheiten. Und laut DGUV Vorschrift 1 muss jede Erste-Hilfe-Leistung im Betrieb dokumentiert werden. Unternehmen sollten alle Arten von Unfällen systematisch erfassen und Kennzahlen zum Unfallgeschehen daraus ableiten. Geeignete Werkzeuge erleichtern die Arbeit.
Was ist ein Arbeitsunfall?
Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Als Arbeitsunfall definiert das SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung „Unfälle von Versicherten infolge einer versicherten Tätigkeit“, also z.B. auch die Instandhaltung von Arbeitsgeräten, die Teilnahme am Betriebssport, an Betriebsausflügen oder an einer Betriebsfeier sowie Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeit (Wegeunfälle). Branchenübergreifend gehören Unfälle durch Stolpern, Stürzen und Rutschen zu den häufigsten Unfallarten.
Die ISO 45001 für SGA-Managementsysteme, bereits seit 2018 in Kraft, führt den Begriff „Vorfall“ ein. Die Unfallpyramide setzt Häufigkeit und Schwere von SGA-Vorfällen ins Verhältnis. Das Modell, das im Auftrag von ConocoPhilipps 2003 erstellt wurde, beinhaltet z.B. (von der Basis zur Spitze):
- Unsicheres Verhalten
- Beinaheunfälle (Near Misses)
- Nicht meldepflichtige und meldepflichtige Unfälle
- Tödliche Unfälle
Auf 30.000 Fälle von unsicherem Verhalten ereignet sich nach diesem Modell 1 tödlicher Unfall.
Geltende Vorschriften
Arbeitgeber müssen Unfälle dann anzeigen, wenn Beschäftigte mehr als 3 Tage arbeitsunfähig sind oder wenn Versicherte getötet werden (§ 193 SGB VII). Die Anzeige muss innerhalb von drei Tagen, nachdem der Unternehmer von dem Unfall Kenntnis erlangt, erstattet werden.
Bei Arbeitsunfällen besteht Versicherungsschutz durch den zuständigen Unfallversicherungsträger (UV-Träger), z.B. die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse. Der UV-Träger prüft zunächst, ob der Unfall in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis steht. Ist dies geklärt, übernimmt er z.B. die Kosten für ärztliche Behandlung, erforderliche Heilmittel, Aufenthalt in Krankenhaus oder Reha-Einrichtung.
Übrigens: Versicherungsschutz bei Unfällen besteht nicht nur für Beschäftigte, sondern u.a. auch für Schüler und Schülerinnen während ihres Schulbesuchs, Kinder in einer Kindertagesstätte oder Menschen, die erste Hilfe geleistet haben.
Pflichten des Arbeitgebers
Die Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung (UVAV) legt u.a. fest, dass Unfallanzeigen elektronisch übermittelt werden müssen. Die Unfallversicherungsträger müssen dafür einen elektronischen Zugang zur Verfügung stellen. Bis 31.12.2027 gilt jedoch eine Übergangsfrist: Bis dahin dürfen noch die bisher verwendeten Muster-Formulare verwendet und an den UV-Träger übermittelt werden. Die UVAV regelt auch, welche Daten übermittelt werden müssen: Allgemeine Daten (§ 3) beziehen sich auf den Beschäftigten. Zusätzliche Daten (§ 4) beinhalten u.a. Angaben zu Ort und Zeitpunkt des Unfalls, Schilderung des Hergangs, Art der Verletzung und verletzte Körperteile sowie evtl. Zeugen.
Die Unfallmeldung bei nicht meldepflichtigen Unfällen dient im Gegensatz zur Unfallanzeige grundsätzlich zum internen Gebrauch. Die Form der Unfallmeldung ist nicht vorgeschrieben. Unternehmen können eigene Vorlagen erstellen oder bestehende Formulare nutzen.
Umsetzung in der Praxis
Aus Unfällen lernen
Zusätzlich zur Anzeigepflicht und der elektronischen Übermittlung der Daten bei meldepflichtigen Unfällen, muss bei Auftreten von Unfällen und Beinaheunfällen die Gefährdungsbeurteilung aktualisiert werden. Erkannte Risiken und Gefahren fließen ein, geeignete Maßnahmen können abgeleitet werden. Auch unsicheres Verhalten und Beinaheunfälle sollten analysiert werden.
Die Analyse von Unfällen – meldepflichtigen und nicht meldepflichtigen – erfolgt idealerweise in 6 Schritten:
- Unfalluntersuchung: Informationen sammeln, u.a. Fotos, Unfallskizzen, Messungen, Beschreibungen des Unfallverlaufs, Auswertungen, Nachweise
- Fakten zusammenstellen: Liste aller bekannten Fakten
- Ursachen ermitteln: z.B. mit Fehler(Ursachen)baum, Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA)
- Lösungen erarbeiten, damit die Gefährdung zukünftig verhindert wird.
- Maßnahmenplan: Wer, was, bis wann, womit
- Wirksamkeitskontrolle: Sind die festgelegten Maßnahmen umgesetzt und wirksam?
Aus den erhobenen Daten können Unfallschwerpunkte ermittelt werden. Wichtige Kennzahlen im betrieblichen Unfallgeschehen sind u.a. Unfallhäufigkeiten, Unfallarten, Arten der Verletzung sowie AU-Tage pro 1.000 Beschäftigte.
Bedeutung von unsicherem Verhalten bzw. Beinaheunfall: Unsicheres Verhalten erfolgt, u.a. wenn Beschäftigten die entsprechenden Kenntnisse fehlen oder sie sich widersprechende Ziele erfüllen sollen. Aus unsicheren Zuständen und Handlungen könnte ein Schaden entstehen, wenn keine Abhilfe geschaffen wird.
Beim Beinaheunfall (Near Miss) entstehen keine schwerwiegenden Personen- oder Sachschäden, sie hätten jedoch passieren können. Aus Beinaheunfällen können Unternehmen und Beschäftigte gefahrlos lernen: Sie geben wichtige Hinweise auf Gefährdungen und ermöglichen Verbesserungsmaßnahmen für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten.
Verbandbuch ist Pflicht
Jede Erste-Hilfe-Leistung im Betrieb muss dokumentiert werden, häufig im Verbandbuch auf Papier oder elektronisch. Die Angaben müssen vertraulich behandelt und mind. fünf Jahre aufbewahrt werden (§ 24 Abs. 6 DGUV Vorschrift 1).
Damit ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt werden kann, müssen mind. erfasst werden: Name der verletzten oder erkrankten Person, Datum und Uhrzeit, Ort, Hergang, Art und Umfang der Verletzung oder der Erkrankung sowie Datum und Uhrzeit der Erste-Hilfe-Leistung, Erste-Hilfe-Maßnahmen, Name des Ersthelfers und ggf. von Zeugen. Die Angaben dienen als Nachweis, dass ein Gesundheitsschaden bei einer versicherten Tätigkeit eingetreten ist. Besonders wichtig werden die geforderten Informationen, wenn Spätfolgen eintreten, z.B. bei Entzündungen nach kleineren Schnitt- oder Stichverletzungen.
Mögliche Arbeitshilfen
Alle SGA-Vorfälle erfassen: Gesetzliche Unfallversicherungsträger bieten Muster-Formulare und elektronische Zugänge für Unfallanzeigen. Wollen Unternehmen jedoch alle SGA-Vorfälle systematisch erfassen und auswerten, ist eine Software besser geeignet als unterschiedliche Listen: Relevante Daten können erfasst, der Gefährdungsbeurteilung zugeordnet und wichtige Kennzahlen ermittelt werden.
Digitales Verbandbuch: Auch hier liefern Berufsgenossenschaften Vorlagen, überwiegend als Papierversion. Ein digitales Verbandbuch bietet Vorteile: Es gewährleistet eine systematische Vorgehensweise. Der Datenschutz gemäß DSGVO kann durch Schreib- und Leserechte leichter umgesetzt werden. Alle erforderlichen Daten werden als Pflichtfelder strukturiert erfasst, damit nichts vergessen wird. Geforderte Informationen stehen zuverlässig zur Verfügung, auch für den Fall von Spätfolgen einer Verletzung.
Die Anforderungen an das Managen von SGA-Vorfällen und ein elektronisches Verbandbuch erfüllt z.B. die webbasierte HSEQ Software von QUMsult.
Fazit
Arbeitgeber müssen meldepflichtige Arbeitsunfälle bei ihrem UV-Träger anzeigen, jede Erste-Hilfe-Leistung muss dokumentiert werden. Geeignete Softwarelösungen für SGA-Vorfälle und Verbandbuch unterstützen Verantwortliche dabei, den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu verbessern. Ziel ist, Häufigkeit und Schwere von Unfällen zu senken (Vision Zero).
Weiterführende Links:
- Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung (UVAV)
- DGUV: Arbeitsunfallgeschehen 2023
Interessierte können Web SARA – SGA-Vorfälle und Gefährdungsbeurteilung als Testversion oder im Rahmen eines WebMeetings kennenlernen, kostenlos und unverbindlich.