Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung können Sie betriebsspezifische Gefährdungen ermitteln und beurteilen. Sie ermöglicht Ihnen zu entscheiden, ob und welche Maßnahmen notwendig sind, um Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in Ihrem Unternehmen zu gewährleisten. Die Form ist nicht festgelegt, sie sollte als kontinuierlicher Prozess organisiert werden.
Wer führt die Gefährdungsbeurteilung durch?
Grundsätzlich liegt die Verantwortung beim Arbeitgeber und den von ihm eingesetzten Verantwortlichen in der Linie. Die Gefährdungsbeurteilung muss fachkundig durchgeführt werden, d.h. eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte berufliche Tätigkeit ist erforderlich. Und die Fachkenntnisse müssen durch Teilnahme an Schulungen oder Unterweisungen auf aktuellem Stand gehalten werden. Fachkundige Personen können – je nach Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung – betriebliche Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte sein. Es empfiehlt sich, die Beschäftigten in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen, da sie ihren Arbeitsplatz am besten kennen. Dies erhöht auch die Akzeptanz für sicherheitsgerechtes Verhalten.
Wann muss die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?
Die Gefährdungsbeurteilung muss vor Aufnahme der Tätigkeit, vor der Verwendung des Arbeitsmittels bzw. vor Inbetriebnahme der Arbeitsstätte erfolgen. Und bei Änderungen muss die Gefährdungsbeurteilung aktualisiert werden, also u.a. wenn neue Arbeitsverfahren eingeführt oder Vorschriften geändert werden. Auch das Auftreten von Unfällen, Beinaheunfällen oder Berufserkrankungen macht eine Aktualisierung erforderlich.
Gefährdungsbeurteilung: Schritt für Schritt
Für die Form der Gefährdungsbeurteilung gibt es keine rechtlichen Vorgaben. Neben der „Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ oder Muster-Gefährdungsbeurteilungen von BGen und anderen Anbietern liefert z.B. die ASR V3 eine mögliche Vorgehensweise. Sie sieht einen Prozess in folgenden Schritten vor (s. Kap. 5):
1. Vorbereiten
2. Ermitteln von Gefährdungen
3. Beurteilen der Gefährdungen
4. Festlegen von Maßnahmen
5. Umsetzen der Maßnahmen
6. Überprüfen der Wirksamkeit
7. Fortschreiben
Die Dokumentation erfolgt über den gesamten Prozess.
1. Vorbereiten
In der Praxis empfiehlt sich zunächst eine Gliederung z.B. nach Arbeitsbereichen, Tätigkeits- oder Personengruppen. Ggf. müssen Sie dabei auch Dauer und Häufigkeit einer Tätigkeit erfassen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen können Sie Arbeitsplätze oder Tätigkeiten zusammengefasst betrachten.
2. Ermitteln
Ziel ist das systematische Identifizieren möglicher Gefährdungen, deren Quellen und gefahrbringender Bedingungen im Unternehmen. Neben grundlegenden organisatorischen Faktoren wie Unterweisung oder Alarm- und Rettungsmaßnahmen müssen Sie dabei folgende Gefährdungs- und Belastungsfaktoren (s. BG RCI) betrachten:
- Gefährdung durch Arbeitsplatzgestaltung und ergonomische Faktoren
- mechanische und elektrische Gefährdung,
- Gefährdung durch Stoffe,
- Gefährdung durch Brände bzw. Explosionen,
- biologische Gefährdung,
- Gefährdung durch spezielle physikalische Einwirkungen, z.B. Lärm, Hitze
- psychische Belastungsfaktoren,
- sonstige Faktoren, z.B. Einsatz als Rettungskraft, Tätigkeit im Außendienst.
Rechtsvorschriften, branchenspezifische Regeln oder Herstellerinformationen liefern Ihnen dazu wichtige Hinweise.
Hinweis: Sie müssen auch Gefährdungen durch und für Beschäftigte von Fremdfirmen, Beschäftigte im Rahmen von Dienst- und Werkverträgen, Besucher, Kunden berücksichtigen.
3. Beurteilen
Als Arbeitgeber müssen Sie Beurteilungsmaßstäbe ermitteln und festlegen. Anforderungen, Maße, sowie Grenz- bzw. Richtwerte liefert i.W. das technische Regelwerk (TRGS, TRBS, ASR). Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und eigens entwickelte Maßstäbe müssen angewendet werden, wenn das technische Regelwerk keine konkreten Angaben macht.
Sie müssen alle Betriebszustände beurteilen, also z. B. auch Auf-, Um- und Abbau, Reinigung und Instandhaltung. Auch Wechselwirkungen müssen beurteilt werden, z.B. beim gleichzeitigen Auftreten von Lärm und bestimmten Gefahrstoffen. Ausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit eines Gesundheitsschadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung sind wichtige Kriterien beim Beurteilen.
4. Maßnahmen festlegen
Die Maßnahmen müssen geeignet sein und dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene, gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen sowie den Anforderungen der Ergonomie entsprechen. Werden die in den Technischen Regeln genannten Maßnahmen eingehalten, so ist davon auszugehen, dass die Schutzziele erreicht werden (Vermutungswirkung). Weichen Sie als Arbeitgeber davon ab oder fehlen sie, müssen Sie durch andere Maßnahmen gleiche Sicherheit und gleichen Schutz der Gesundheit der Beschäftigten erreichen. Die Abweichung und das damit verbundene gleichwertige oder bessere Sicherheitsniveau muss dokumentiert werden.
Es gilt eine Maßnahmenhierarchie nach § 4 ArbSchG: Oberste Priorität hat, die Gefährdung an der Quelle zu beseitigen oder zu reduzieren. Die Reihenfolge nach dem STOP-Prinzip sieht Substitution vor technischen vor organisatorischen vor persönlichen Schutzmaßnahmen vor. Bei Kombination von Maßnahmen darf die Gefährdung insgesamt nicht erhöht werden.
5. Maßnahmen umsetzen
Zuvor festgelegte Maßnahmen müssen priorisiert und umgesetzt werden. Eine Ablaufplanung erleichtert die Umsetzung, d.h. Sie sollten Ziele, Übergangsmaßnahmen, Termine, Verantwortliche und sonstige Beteiligte festlegen. Die Unterweisung der Beschäftigten über festgelegte Maßnahmen ist dabei von zentraler Bedeutung.
6. Wirksamkeit prüfen
Schließlich müssen Verantwortliche prüfen, ob bestehende Maßnahmen wirksam sind, festgelegte Maßnahmen vollständig umgesetzt werden und die Gefährdungen dadurch beseitigt bzw. wie geplant reduziert werden oder ob neue Gefährdungen entstanden sind.
7. Fortschreiben
Die Gefährdungsbeurteilung ist keine einmalige Untersuchung, sondern muss kontinuierlich überprüft und aktualisiert werden. Sie sollte als Prozess bearbeitet werden, Ziel ist die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten (§ 3 ArbSchG). Empfohlen wird, dass Gefährdungsbeurteilungen mindestens alle zwei Jahre überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden, eine rechtliche Anforderung besteht allerdings nicht.
Was müssen Sie dokumentieren?
Die Form der Dokumentation ist nicht vorgeschrieben. Nach § 6 ArbSchG müssen jedoch mindestens folgende Punkte enthalten sein:
- Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung: Welche betriebsspezifischen Gefährdungen gibt es? Sind Maßnahmen erforderlich?
- Festgelegte Maßnahmen: Welche konkreten Maßnahmen müssen umgesetzt werden?
- Ergebnis ihrer Überprüfung: Werden die festgelegten Maßnahmen umgesetzt und sind sie wirksam?
Zusammengefasste Angaben bei gleichartigen Gefährdungssituationen sind zulässig.
Die ASR V3 konkretisiert die Forderungen des ArbSchG: u.a. müssen Bezeichnung der erfassten Arbeitsplätze, Arbeitsbereiche bzw. Tätigkeiten, Verantwortliche und Datum der Erstellung bzw. Aktualisierung enthalten sein. Ergänzende Angaben wie Anlass, Ziel, Bezug zu Rechtsvorschriften und Technischen Regeln, Verweise auf andere Dokumente, Revisionsstand und Umsetzungstermine sind empfehlenswert, um als rechtssicherer Nachweis gegenüber der zuständigen Behörde zu dienen. Es gibt keine rechtliche Pflicht für eine „unterschriebene Gefährdungsbeurteilung“.
Für Sie zusammengefasst
Gefährdungsbeurteilungen müssen kontinuierlich überprüft und aktualisiert werden. Aufwand und Umfang hängen von den betrieblichen Gegebenheiten ab. Muster-Vorlagen müssen an die betrieblichen Verhältnisse angepasst werden. Für eine systematische Vorgehensweise empfiehlt sich der Einsatz geeigneter Software.
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